Wusstet ihr, dass man auch als Erwachsener ein Interrail-Ticket kaufen kann?
Mir war bis vor kurzem Interrail nur als Reisemöglichkeit für junge Erwachsene in überfüllten Zügen mit riesigen Rucksäcken in Europa geläufig, aber Interrail ist für alle möglich, wobei Tickets bis 27 und ab 60 günstiger sind. Und darum war unser Sommerurlaub dieses Jahr auch ganz anders als die Jahre davor, denn wir haben zu viert (20, 20, 14 und ich) eine 3-wöchige Interrailtour durch Großbritannien gemacht.
Die gesamte Reise habe ich über die offizielle Interrailseite geplant und parallel immer gegoogelt, wie lange die Züge zwischen den einzelnen Städten überhaupt brauchen, um realistisch einschätzen zu können, wie weit man kommt. Die Seite schlägt einem dann den für einen passenden Pass vor, der anhand der Reisetage (also Tage, die man im Zug sitzt) für einen am besten ist. Bei uns waren das der "Global Pass" mit 7 Traveldays für insg. €1.320 für 4 Personen. Desweiteren braucht man unbedingt die "Rail Planner" App, denn dort aktiviert man zu Reisebeginn seinen Pass, an jedem Tag, den man im Zug sitzt seinen Travelday, sucht sich die passenden Züge raus und muss diese dann dort auch aktivieren. Außerdem sieht man genau, für welche Züge Sitzplatzreservierungen Pflicht sind. Da meine beiden großen Kinder bereits letztes Jahr kreuz und quer durch Europa damit unterwegs waren, hatte ich bei Fragen immer zwei kompetente Ansprechpartner.
Nachdem die Reiseroute feststand, hab ich in allen Städten für uns passende Airbnbs gebucht, denn zu viert während der Hauptsaison wollte ich kein Risiko eingehen, irgendwo keine Unterkünft zu finden. Dadurch hat sich auch die Menge an Gepäck für drei Wochen drastisch reduziert, denn häufig gab es eine Waschmaschine in den Appartements. Außerdem hat man meist ein kleines Wohnzimmer und eine Küche, also deutlich mehr Platz als im Hotel.
Und dann ging es los:
Der erste Travelday führte uns von Hamburg aus über Köln nach Brüssel und dauerte knapp 8 Stunden. Zur Sicherheit hatte ich Sitzplätze reserviert, da diese Strecke sehr beliebt ist, auch wenn man das laut Rail Planner nicht musste, die € 9,80 war mir das aber wert ;o)
Dort haben wir 2 Tage lang die Brüsseler Altstadt erforscht, waren im Comic-Museum, haben Pommes gegessen, die Jungs waren in ihren liebsten Thriftshops und haben uns ansonsten einfach treiben lassen.
Am zweiten Travelday ging es dann sehr früh los zum Bahnhof Bruxelles Midi, denn dort startet der Eurostar, mit dem man von Brüssel in einer knappen Stunde in London St. Pancras ankommt. Verrückt!
Für diesen Zug herrscht Reservierungspflicht und man sollte unbedingt frühzeitig planen, welchen Zug man nehmen möchte, da die Plätze im Interrailkontingent begrenzt sind. Für 4 Personen kostete das € 128. Darüberhinaus muss man, wie beim Flugzeug, etwa 2 Stunden vorher am Check-in sein, da man durch die Pass- und Gepäckkontrolle muß, denn für Großbritannien braucht man ja leider inzwischen einen Reisepass.
Unser eigentliches Reiseziel an dem Tag aber war Edinburgh in Schottland. Zum Glück hatte ich einen 1-stündigen Puffer zwischen dem Eurostar und dem nächsten Zug ab London Kings Cross eingeplant, denn unser Zug aus Brüssel hatte fast 40 Minuten Verspätung wegen eines Polizeieinsatz am Bahnhof in Lille. So kam es auch, dass wir erst 5 Minuten vor Abfahrt des Zuges in unsere Sitze fallen konnten, denn trotz guter Beschilderung und keiner wirklich großen Entfernung zwischen St. Pancras und Kings Cross, muss man sich im Land des Linksverkehrs ersteinmal zurecht finden. Auch dieser Zug ist reservierungspflichtig (€ 24), dies gilt aber nur, wenn man online bucht.
Ab da musste ich bis zum Ende der Reise für keinen Zug mehr Geld für Sitzplätze ausgegeben, denn in Großbritannien sind diese kostenlos, wenn man sie vor Ort im Bahnhof bucht, was immer ohne Probleme am Vortag möglich war. Und nach etwas mehr als 4 Stunden kommt man sehr bequem ohne Umsteigen von London nach Edinburgh.
Edinburgh war rappelvoll, laut, quirlig und einfach wieder großartig.
Wer genug von den Massen an Touristen hat oder erschöpft nach der Besteigung von Arthurs Seat, flüchtet sich in eines der Museen, denn auch das ist wieder ein riesiger Vorteil Großbritanniens: die staatlichen Museen kosten keinen Eintritt!
Oder man verzieht sich mit dem im Tesco erstanden Meal deal (bestehend meist aus einem Sandwich, einer Tüte Chips und etwas zu Trinken), in den nächsten Park und macht Picknick. Überhaupt war der Meal Deal unsere liebste spontane Verpflegung auf der gesamten Reise, wie man sich mit drei riesigen, dauerhungrigen Kerlen wahrscheinlich vorstellen kann. Und gerade wenn man mit dem Zug unterwegs ist, kauft man vorher am Bahnhof einen Meal Deal und ist bestens versorgt.
Der dritte Travelday ging dann hoch in die Highlands, nämlich nach Inverness, das dauert mit dem Zug knapp 3 1/2 Std.
Die Strecke ist wunderschön mit vielen Schaf- und Kuhherden am Wegesrand und hübschen Ausblicken. Ich hab netterweise immer den Fensterplatz in Fahrtrichtung bekommen :o)
Inverness ist der ideale Startpunkt, um noch weiter in die Highlands und auf die schottischen Inseln zu reisen.
Wir aber waren hauptsächlich wegen Loch Ness da und haben eine sehr schöne Bootsfahrt rund um das Urquhart Castle gemacht.
An den Startpunkt des Schiffes kommt man nur mit dem Bus, den man unbedingt rechtzeitig vor Ort buchen sollte, denn auch hier ist der Platz begrenzt. Die Tour selbst hab ich über GetYourGuide gebucht, was super geklappt hat. Und Nessie haben wir natürlich auch gesehen, ist klar, oder?
Am vierten Travelday ging es in vier Stunden von Inverness nach Glasgow und größer hätte der Unterschied nicht sein können: von beschaulichen Feldern und Wiesen zu "Zack" hier ist es voll, laut und hügelig! Mir hat die Stadt supergut gefallen, man findet sich sehr schnell im Centrum zurecht, es gibt viele Geschäfte und Restaurants und überall an den Häuserwänden tolle Wandgemälde.
Eigentlich wollten wir in eine Banksy-Ausstellung, die war jedoch bereits seit Wochen ausgebucht. Stattdessen haben wir an einem Tag ein typisches Touri-Programm gemacht und sind mit einem Hop-on / Hop-Off-Bus durch ganz Glasgow gefahren, sehr lustig.
Und ein extra Tag für Durchschnaufen, Wäschewaschen und Ausschlafen. Und um unserer letzten Station in Schottland zu genießen.
Der fünfte Travelday brachte uns nach Manchester. Das dauert etwa drei Stunden.
Waren die Schotten schon nicht einfach zu verstehen, so hatten wir unsere liebe Mühe mit dem Manchester Akzent. Und zum Linksverkehr mit Bussen, Taxis, Fussgängern und eRollern, kam hier noch die durchgehend bimmelnde Straßenbahn. Rote Ampeln waren auch eher Vorschläge als Verbote, man musste tatsächlich sehr aufpassen. Aber wir hatten Großes vor, denn schließlich hab ich ja drei fußballverrückte Jungs und darum war eine Stadiontour durch Old Trafford bei Manchester United natürlich Pflicht und ein voller Erfolg! Die kann man entweder wieder (frühzeitig!) über GetYourGuide buchen oder direkt bei Manchester United auf der Seite.
Und in der Stadt selbst kann man auch noch ins Nationale Fussballmuseum, das fand ich persönlich aber nicht so spannend. Dafür hat mir die Manchester Art Gallery umso besser gefallen und ansonsten läuft man einfach zB durch das Northern Quarter, trinkt Kaffee, schreibt Postkarten und guckt Leute.
Unser letzte Stopp und sechster Travelday war dann London. In knapp 2 Stunden brettert der Zug durch die Landschaft, schwankt und ruckelt. Von allen Zügen der letzten Tage war dies der unangenehmste und uns war allen leicht blümerant als wir in London Euston ankamen. In den tubes herrschte dazu fast 35 Grad - wir waren alle froh, als wir in unserem Appartement ankamen und erstmal wussten, heute machen wir nix mehr.
In London kann ich sehr empfehlen sich eine sog. Oystercard zu kaufen.
Will man die U-Bahn oder den Bus benutzen, kann man dort nämlich nur bargeldlos bezahlen, aber jeder braucht wegen des Ein- und Auscheckens seine eigene Karte. Dh. wenn man mit Kindern unterwegs ist, die keine eigene Bankkarte haben, muss man entweder immer ec- und Kreditkarte im oft doch großen Gedrängel bereit halten (was ich nicht so angenehm finde) oder jeder bekommt eine am Automaten aufladbare Oystercard ausgehändigt. Die stehen an allen Stationen und dort kann man auch immer gucken, wie hoch das Guthaben noch ist. Und wenn am Ende noch Guthaben übrig sein sollte, benutzt man das beim nächsten Besuch und sollte man die Karte doch mal verlieren, ist eben nur die Karte weg und nicht die EC-Karte.
In London selber waren wir gefühlt überall:
Meine großen Kinder in ihren ganzen speziellen Läden für gebrauchte Fußballshirts, der kleinste Mitbewohner und ich in Museen oder Bussen, um die Stadt zu erkunden und zusammen einen ganzen Tag unterwegs in Notting Hill und auf dem Markt in der Portobello Road.
Und tatsächlich hatten wir auch erst in London den ersten und einzigen kompletten Regentag unserer gesamten Reise.
Den siebten Travelday haben wir gar nicht benutzt, denn zurück sind wir geflogen. Zum einen dauert die komplette Rückfahrt von London über Brüssel und Köln zurück nach Hamburg fast 10 Stunden - wenn alles glatt läuft. Und wir alle wissen: der Schwachpunkt in der gesamten Planung ist leider die Deutsche Bahn und die Aussicht mit drei Kindern nach drei Wochen unterwegs sein, nachts irgendwo wegen eines ausgefallenen Zuges zu stranden, war wenig verlockend. Es muss ja auch einen Vorteil haben, wenn man mit Mutti unterwegs ist ;o) Theoretisch hätten wir den Travelday aber auch jederzeit auf der Reise noch für einen Ausflug nutzen können. So braucht zB der Zug von Manchester nach Liverpool nur 30 Minuten oder man macht von London aus einen Ausflug nach Windsor, Camebridge, Bath oder Oxford.
Für uns alle war die Reise ein voller Erfolg.
Von Vorteil ist natürlich, wenn man Kinder hat, die sich verstehen, gerne viel laufen und kein Problem haben viel und lange Bahn zu fahren. Außerdem hat jeder im Laufe der Reise automatisch eine bestimmte Aufgabe übernommen zB welcher Zug ist der beste, welcher Weg ist der schnellste zum Airbnb, wo befindet sich der nächste Tesco, welche tube / Bus / Straßenbahn müssen wir nehmen, um wieder zurückzufinden und wo gibt es etwas Leckeres zu essen.
Und nachdem ich gehört habe, dass es in den drei Wochen, die wir unterwegs waren, in Hamburg nur geregnet hat, haben wir dieses Jahr eindeutig die richtige Wahl beim Urlaubsland getroffen.
Vielen Dank fürs Lesen!
LG von Caro