Bereit für den nächsten Teil meiner Reise?
Dann kommt mit nach Lettland.
Ein Land, das es einem nicht leicht macht, wie ich finde, der russische Schatten hängt auch heute noch tief über diesem Land. Kein Wunder: zwar besteht die Bevölkerung zu 60% aus Letten, die anderen 40% jedoch sind fast überwiegend Russen, Weißrussen und Ukrainer, deren Familien teilweise durch Stalins Umsiedlungspolitik ins Land kamen, während unter seiner Schreckensherrschaft Zehntausende Balten verschleppt oder ermordet wurden.
Nachdem auch Lettland 1991 unabhängig wurde, versagte die Regierung den dort lebenden Russen seine Staatsbürgerschaft. Lette durfte nur werden, dessen Vorfahren bereits vor 1940 ins Land gekommen war oder nachwies, dass er die lettische Sprache beherrschte. Ansonsten bleibt man auch heute noch staatenlos, man darf weder wählen noch gewählt werden. Viele ältere in Lettland lebende Russen haben darum einen sowjetischen Pass, doch dieses Land existiert nicht mehr. Einen lettischen Pass würden sie nur bekommen, wenn sie nachweisen könnten, dass sie entweder bereits vor 1940 ins Land kamen oder lettisch sprechen, doch viele Russen weigern sind. Und weil sie seit 2007 ohne Visum in die EU reisen und im Gegensatz zu den Letten auch kein Visum für Russland brauchen, sehen viele auch heute nicht die Notwendigkeit diese zu lernen. Warum auch soll man Lettisch lernen, wenn fast die Hälfte des Landes Russisch spricht?
Dies vorweg geschickt startete meine Reise in Riga, der größten Stadt des Baltikums. Was für ein Gewusel auf den Straßen, Massen an Touristen jeder Nationalität laufen staunend durch die Gassen und Musiker spielen an jeder Ecke.
Lohnenswert ist natürlich zum einen die Altstadt, stehen dort doch Bauten aus der Sowjetzeit neben dem Dom oder der Petrikirche.
Leider wurde das Schwarzhäupterhaus gerade renoviert und war komplett eingerüstet, ebenso das Freiheitsdenkmal. Empfehlen kann ich einen Besuch in der ehemaligen KGB-Zentrale, liest und betrachtet man die dort ausgestellen Fundstücke läuft es einem eiskalt den Rücken runter.
Sehr viel fröhlicher ist es dagegen im Jugendstilviertel. Im Art Nouveau Centre kann man sogar eine komplett renovierte Jugendstilwohnung angucken, detailverliebt bis zur Kloschüssel. Und mit einem wunderschönen Treppenhaus:
Oder man schlendert dort einfach durch die Straßen und staunt: über maskenhafte Damen, Drachen, riesige Löwen oder langohrige Hunde. An jedem Haus kann man an den Fassaden etwas Besonderes entdecken.
Der Gang in den Supermarkt ist natürlich auch in Lettland Pflicht, Laima ist hier der größte Süßwarenhersteller.
Unbedingt empfehlenswert ist auch ein Besuch der Markthallen in der Nähe des Hauptbahnhofes. Jede der fünf Hallen ist einem Thema zugeordnet: Fleisch, Gemüse, Fisch, Milch und Gastronomie. Gerade die Halle mit den ganzen Kuchen, Torten, Keksen und Plunderteilchen sollte man nicht mit großen Hunger betreten, sonst kommt man aus dem Essen und Probieren nicht mehr raus ;o)
Und sollte man tatsächlich noch hungrig sein, so kann man sehr schnell und lecker und va günstig in das Pelmeni-Schnellrestaurant mitten in der Alstadtadt gehen: dort reiht man sich einfach ein in die Schlange von Einheimischen und Touristen, nimmt sich Tablett und Schüssel und füllt dieselbe mit Pelmeni mit Fleisch oder Gemüse. Am Ende wird die Schüssel gewogen und der Preis bestimmt. Sehr lecker!
Oder man geht traditionell lettisch essen und sollte va den Nachtisch aus geschichtetem Roggenbrot mit Schlagsahne und Preiselbeeren probieren.
In Riga machen die Russen noch heute die Hälfte der Einwohner aus. Das merke ich vor allem, als ich statt eines geplanten Ausfluges in den Gauja-Nationalpark in Riga bleibe, denn es ist Stadtfest: auf allen Plätzen stehen plötzlich kleine weiße Zelte mit Ständen, an denen Händler ihre Waren verkaufen. Und so versuche ich der russischen Verkäuferin klarzumachen, dass mir die Handschuhe zwar gut gefallen, aber etwas zu groß sind (soweit ich verstanden habe, hatte sie sie aber immer nur einmal pro Muster pro Größe), ich gerne zwei Meter des Bandes hätte oder nicht noch die zum Schal passende Mütze kaufen möchte. Zum Glück hatte ich in der Schule Russisch, ein paar Brocken fielen mir dann doch nach und nach ein und ansonsten klappte das ganz wunderbar mit Händen und Füßen.
Viel zu schnell hieß es Abschied nehmen von Riga, aber man kann Lettland nicht verlassen, ohne in Rundale Halt zu machen, nicht umsonst das "Versailles an der Ostsee" genannt.
Die fast 40 Jahre andauernden Renovierungsarbeiten sind inzwischen abgeschlossen und man kann sich der ganzen Pracht goldener Säle, mit Stoff bespannter Wände oder dem wunderschönen Garten hingeben. Was teilweise etwas schwierig war, denn es herrscht reger Betrieb von gefühlt tausend zeitgleich auf verschiedenen Sprachen stattfindenden Führungen, die simultan von lettisch ins Polnische oder Taiwanesische übersetzt werden, aber mit etwas Konzentration schafft man das. Sonst freut man sich einfach, dass es einem Storchenpaar seit Jahren erlaubt ist, auf einem Turm der ehemaligen Sommerresidenz sein Nest zu bauen und betrachtet deren Nachwuchs, während man Eis isst.
Und so hieß es "Auf Wiedersehen, Lettland! Hallo Litauen", aber davon erzähle ich euch beim nächsten Mal.
LG von Caro
Wow, toller Bericht! Danke dafür. Dank Dir ist Estland / Tallinn auf meiner Wunsch-Reiseliste schlagartig ganz oben. Und jetzt freue ich mich auf Teil 3 Deines Berichts!
AntwortenLöschenLiebe Grüße und schöner Tag noch
Juliane
Hallo Caro
AntwortenLöschenvielen Dank für Deine tollen Reiseberichte. In das Baltikum zu reisen war nie eine Option für mich, aber nach diesen schönen Bildern und Berichten bekommt man richtig Reiselust. Ich freue mich schon auf Litauen.
Ich wünsche Dir einen schönen Tag und
LG Ilse
Oh ich war auch mal in Lettland, ist schon 15 Jahre her, glaube ich...man wird nicht jünger. Ich war in einem Workcamp in Riga und dann in Ivande auf dem Lande :) Ein wunderschönes Haus mit Duschen im Keller, durch die Frösche hüpften. Quak.
AntwortenLöschenViel Spaß dir noch!
Dörte