Montag, 29. August 2016

Buchempfehlung: "Niemandsland" von Rhidian Brook

Ein Buch über das Nachkriegshamburg:
"Niemandsland" von Rhidian Brook

1946 wird Colonel Lewis Morgan nach Hamburg beordert. Sein erster Eindruck der einst stolzen Stadt ist verheehrend: der Dammtorbahnhof ein Ort der Verzweifelten und Suchenden, die Stadt in Trümmern, die Spur des Feuersturms, die den Blick ungehindert von St. Pauli bis nach Altona frei gibt, die Trümmerkinder und Vertriebenen, die Gerüchte um einen aus Hagenbeck entlaufenden schwarzen Panther im Jenischpark ... Wie damals üblich, beschlagnahmte die britische Armee für ihre höchsten Offiziere Häuser in den Elbvororten, herrschaftliche Villen, die die Bombennächte fast unbeschadet überstanden hatten. Und die Bewohner? Sofern sie noch in ihren Häuser lebten, wurden sie ausquartiert. Schließlich war man nicht müßig zu betonen, dass alle Deutschen Nazis seien, niemandem war zu trauen, vor allem nicht, wenn er noch keinen "Persilschein" hatte. Doch Morgan war schon immer anders, ein Mann mit hohen moralischen Ansprüchen. Obwohl er im Krieg Schreckliches erlebt hat, sieht er noch immer die Menschen, auch in seinen ehemaligen Feinden. Und so kommt es, dass er Stefan Lubert und seiner Tochter anbietet, im Haus zu bleiben, zusammen mit ihm. Zwar müssten sie mit der Dachkammer des ehemaligen Chauffeurs vorlieb nehmen, aber sie müssten nicht ausziehen. Eine befremdliche Situation für beide Seiten, die sich noch verstärkt durch die Ankunft seiner Frau und Edmund, dem inzwischen einzigen Sohn. Werden sie sich zusammenraufen? Kann seine Frau Rachel vergessen, dass die Deutschen ihren zweiten Sohn getötet haben? Und sind nicht alle Deutschen verschlagene Monster, so wie in der Broschüre beschrieben, die an die Angehörigen der Armee ausgeteilt wird?

"Gleich werden Sie einem fremdem Volk in einem fremden, feindlichen Land begegnen. Halten Sie sich unbedingt von den Deutschen fern. Gehen Sie auf der Straße nicht neben ihnen, schütteln Sie ihnen nicht die Hand, besuchen Sie sie nicht in ihren Wohnungen. Verzichten Sie auf gemeinsamen Sport und sonstige Veranstaltungen. Versuchen Sie nicht, freundlich zu sein - das wird Ihnen als Schwäche ausgelegt. Weisen Sie die Deutschen in ihre Schranken. Zeigen Sie keinen Hass, das würde den Deutschen nur schmeicheln. Bleiben Sie stets kühl, korrekt, knapp und würdevoll auf Distanz. Jedes Fraternisieren ist unerwünscht."


Keine leichte Kost! 
Wie immer beim Lesen von Büchern über das Nachkriegshamburg überkommt mich ein Schauer, wenn ich mir vorstelle, wie schrecklich die ersten Jahre nach 1945 gewesen sein müssen. Viele Orte, die in dem Buch beschrieben werden, kenne ich selbst, sie liegen auf meinen täglichen Wegen durch die Stadt und in den Elbvororten bin ich groß geworden. Brook schreibt seine Geschichte leise und eindringlich, manchmal ein bißchen kitschig, aber oft auch beklemmend und schonungslos. Besonders gefallen hat mir, dass sein Großvater ihn zu dieser Geschichte inspiriert hat, denn der war in Hamburg stationiert und lies damals die deutsche Familie mit in seinem Haus wohnen.

LG von Caro

PS:
Wer noch mehr über das Hamburg kurz nach dem Krieg lesen möchte, dem empfehle ich außerdem die drei Krimis von Cay Rademacher mit Oberinspektor Stave, "Am Beispiel meines Bruders" von Uwe Timm oder das vor kurzem besprochene "Trümmergöre" von Monika Held.

4 Kommentare:

  1. Danke für den Tipp, die Krimis von Cay Rademacher gaben mir einen sehr guten Einblick in das "normale" Leben nach dem Krieg. So wird z.B. der Tag der Währungsreform in einem seiner Bücher sehr gut vorstellbar beschrieben! LG von Rana

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  2. Das klingt nach einem fesselnden Buch und doch nach anspruchsvoller Kost. Sicherlich nichts,um es kurz vor dem Schlafen zu lesen.
    Danke für den Tipp!
    Lg Sternie

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  3. Ich bin normalerweise eher eine stille Leserin, aber heute wollte ich dir noch schnell ganz viele Daumen hoch für deine Buchrezensionen da lassen - ich speichere fast alle und wenn ich, wie heute, Urlaubslektüre brauche suche ich mir aus deiner Auswahl meine Favoriten zusammen. Heute sind es der Hut des Präsidenten und Elanus geworden. Ich danke dir. ❤ Lg Johanna

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  4. Ein tolles Buch, das ich durch Zufall entdeckt und dieses Jahr mit in den Urlaub genommen habe. Ich war angenehm überrascht, denn die Autorin kannte ich bisher nicht. Die Geschichte hat mich dann wirklich mitgerissen. Es ist gut geschrieben und man taucht ruck zuck zwischen den Zeilen in die Zeit ein.

    LG Eva

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